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01
Ist der Aufwand für Säulentests gerechtfertigt?
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Informationen aus beiden Tests
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Hydrophobe Slektivität
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Weitere Info-Quellen

Einfache Tests zur Charakterisierung von RP-Phasen

Ist der Aufwand für Säulentests gerechtfertigt?

Die bekannten Säulentests – welche auch immer – bedeuten in jedem Fall einen Aufwand, der sich für die Mehrzahl der Labore nicht rechnet. Die Säulenhersteller ihrerseits verwenden zur Charakterisierung ihrer Materialien recht häufig „milde“ Tests, so z. B. den Engelhardt-Test. Der Informationsgewinn jedoch für den Anwender bzgl. Ähnlichkeit, Selektivitätsverhalten und „Güte“ von modernen RP-Säulen ist dabei allerdings eher gering: Es gibt kaum eine moderne Säule, die die Kriterien dieses oder eines ähnlich aufgebauten einfachen Tests nicht erfüllt. Die Idee war nun zu prüfen, ob vielleicht doch mit 1 bis 2 Tests, die einfach und schnell durch zu führen sind (isokratische Läufe, kein Puffer, Retentionszeit unter ca. 10 min.), möglichst viele Informationen aus Anwendersicht gewonnen werden können.

Einfache Tests

Die Daten aus früheren Messungen (2) wurden mit Fokus auf die oben formulierte Forderung erneut geprüft. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass mit lediglich zwei einfachen Läufen HPLC-AnwenderInnen eine Reihe interessanter Informationen gewinnen können: Von der Säulencharakterisierung (hydrophober oder polarer Charakter?) über die Zuordnung der Säulen zu Gruppen mit ähnlichen Eigenschaften bis hin zu deren Eignung für die Trennung bestimmter Analyttypen. Um diese Feststellung zu verifizieren, wurden ca. 50 neuere Säulen mit recht unterschiedlicher „Chemie“ der Oberfläche (z. B. C18, Biphenyl, Phenyl-Hexyl, AQ, EPG, Mixed Mode, PFP usw.) und damit recht unterschiedlichem chromatographischen Charakter ausgesucht und zusammen mit bereits untersuchten getestet – letztere als eine Art „interner Standard“.
Für die zwei Tests bedarf es zweier Läufe und zweier Eluenten:

Test 1
Eluent: 80/20 Methanol/Wasser (v/v, zuerst MeOH vorlegen)
Fluss: 1 mL/min
Temperatur: 35 °C
Detektion: 254 nm
Injektion von Uracil (Inertmarker), Ethylbenzol und Fluorenon, im Eluenten gelöst

Informationen aus Test 1:

Durch die Auftragung des Trennfaktors Ethylbenzol/Fluorenon wird der hydrophobe Charakter der Phasen sichtbar, vgl. Abb. 1 und 2: Phasen im linken Teil der Abb. 1 und 2 weisen einen hydrophoben Charakter auf (genauer: sie verfügen über eine gute hydrophobe Selektivität), Phasen im rechten Teil wären als polar zu bezeichnen. Ergibt sich an einer (neuen) Säule ein Trennfaktor ca. ≥ 1,4, handelt es sich um eine Phase mit einer guten hydrophoben Selektivität, ein Trennfaktor ca. ≥ 1,6 zeugt von einer Phase mit einer sehr guten hydrophoben Selektivität. Phasen mit einer guten hydrophoben Selektivität eignen sich für die Trennung kleiner, einkerniger Aromaten, für Homologen mit einem Unterschied in der Alkylkette, für Aldehyde, Ketone, Ester und für neutrale „unproblematische“ Analyte wie schwache organische Basen und schwache organische Säuren. Säulen, die hier kleine Trennfaktoren aufweisen, eignen sich für die Trennung kleinerer polaren Verunreinigungen, verdrillte Strukturen sowie Carotinoide, Steroide, Doppelbindungsisomere, mehrkernige Aromaten, ionisch vorliegende Analyte wie starke Säuren oder überhaupt Analyte mit polarem Charakter wie Phospholipide und Farbstoffe.

Test 2
Eluent: 40/60 Methanol/Wasser (v/v, zuerst MeOH vorlegen)
Rest, wie unter Test 1
Injektion von Uracil (Inertmarker), Phenol, Benzylamin

Informationen aus Test 2:

  1. Je später das Benzylamin im Vergleich zu Phenol eluiert, desto stärker ist der polare Charakter der Phase (genauer: die Fähigkeit zu stark polaren/ionischen Wechselwirkungen). Eine nahe Elution zu Phenol oder Koelution zeugt von einer hydrophoben Phase, eine Elution gar vor Phenol von einer sehr gut abgedeckten, sehr hydrophoben RP-Phase. Sollte eine derartige Phase für eine aktuelle Fragestellung die gewünschte Selektivität zeigen, wird man wohl mit dieser Säule in der Routine kaum ernsthafte Probleme bekommen: Gute Peakform, reproduzierbare Retentionszeiten, lange Lebensdauer.
  2. Als zweites Kriterium kann die Peakform von Benzylamin herangezogen werden, wobei hier betont werden muss, dass nur frisch angesetzte Lösungen injiziert werden sollten; das Injektionsvolumen sollte ca. 10 μL nicht überschreiten. Das ist ein strenger Test: Nur an wenigen Säulen wird ohne Puffer eine wirklich gute Peaksymmetrie für Benzylamin festgestellt, siehe dazu Abb. 3 und 4: In Abb. 3 wird die Injektion von Uracil, polare Verunreinigung, Pyridin, Phenol, Benzylamin, unbekannte Verunreinigung an YMC Pro C18, gezeigt. Abb. 4 gibt die Injektion von Benzylamin an XBridge C18 wieder, die Peaksymmetrie ist gut, obwohl die Säule bewusst überladen wurde.

Informationen aus beiden Tests

Die Auftragung des Trennfaktors Ethylbenzol/Fluorenon (Y-Achse) gegen den Trennfaktor Ethylbenzol/Phenol (X-Achse) ergibt eine so genannte Selektivitätskarte: Die Säulen können in Gruppen mit ähnlichem Charakter und damit ähnlichen Eigenschaften bzgl. Selektivitätsverhalten eingeteilt werden, siehe Abb. 5, 6 und 7.

A: hydrophobe Phasen
Bei diesen Phasen dominiert der hydrophobe Charakter. Dieser kommt z. B. durch eine starke Belegung, eine divalente/trivalente Bindung der Alkylkette oder eine Polymerschicht zustande.
B: mittelpolare Phasen
Das sind Phasen, die sowohl einen hydrophoben als auch einen polaren Charakter aufweisen. Der polare Charakter dieser Phasen ergibt sich z. B. durch eine bewusst geringe Belegung und/oder durch polare Gruppierungen an der Oberfläche bzw. an der Alkylkette.
C: polare Phasen
Der für diese Phasen charakteristisch stark polare Charakter ist das Resultat z. B. von kurzen Alkylketten, von polaren/ionischen Gruppen an der Oberfläche oder von (einer) eingebauten polaren/ionischen Gruppe(n) in der Alkylkette.
Anwendung einer Selektivitätskarte
Wird beispielsweise bei einer Trennung mit einer Säule aus der Gruppe A eine mangelnde Selektivität festgestellt, so sollte bei einem erneuten Versuch eher nicht eine Säule getestet werden, die sich auf der Selektivitätskarte in unmittelbarer Nähe der betroffenen Säule befindet. Vermutlich hat sie ähnliche Eigenschaften und sie wäre für diese Substanzklasse u.U. ebenso wenig geeignet, die Chancen mit einer Säule aus der Gruppe B oder C mit diametral anderen Eigenschaften wären wahrscheinlich besser.

Somit können mit Hilfe zweier einfacher Läufe RP-Säulen wie folgt charakterisiert werden:

  • Hydrophober Charakter und damit Selektivität gegenüber bestimmten Substanzklassen, siehe weiter unten
  • Ähnlichkeit gegenüber anderen RP-Säulen (Säulenvergleich)

Bei Zeitmangel kann auf die Erstellung der Selektivitätskarte verzichtet werden: Lediglich die Injektion von Ethylbenzol/Fluorenon bei 80/20 Methanol/Wasser und Phenol/Benzylamin bei 40/60 Methanol/Wasser reicht für manche Information durchaus aus: Aus Abb. 1 und 2 ist der hydrophobe/polare Charakter der Phasen und damit indirekt deren Eignung für die Trennung bestimmter Substanzklassen bereits ersichtlich. So sind beispielsweise polare Phasen selektiv bei der Trennung von:

  • dissoziiert vorliegenden Säuren und Basen
  • stark polaren Metaboliten und Zersetzungsprodukten
  • „schwierigen“ Isomeren (Doppelbindungs-, α-β-Stellungsisomeren)
  • mehrkernigen, hydrophoben Aromaten (bedingt)
  • planaren/nicht planaren Molekülen

Auch die Peakform von Benzylamin in Kombination mit der Elution gegenüber Phenol offenbart, ob jene Säule über stark polare/ionische Gruppierungen auf der Oberfläche verfügt oder nicht.
Test 1 ist hilfreich, wenn man eine Säule mit anderen bzgl. ihren Eigenschaften vergleichen möchte (Benchmark), denn: Es gibt nicht den hydrophoben Charakter als absolute Größe, sondern man kann Säulen nur in direktem Vergleich sehen. So vergleicht man z. B. im Falle einer neuen Säule den sich mit dieser Säule ergebender Trennfaktor Ethylbenzol/Fluorenon direkt mit den Zahlenwerten aus Abb. 1 bzw. 2. Damit ist ein Vergleich der betreffenden Säule bzgl. ihrer hydrophoben Selektivität möglich. Zugrunde liegen die Daten aus ca. 150 untersuchten Säulen. Man kann bzgl. hydrophober Selektivität (α EB/Fl: Trennfähigkeit der Phasen für Analyte mit unterschiedlichem hydrophoben Charakter) wie folgt festhalten:

Sehr großer bzw. sehr kleiner alpha-Wert (α < 1) α EB/Fl zeugt von der Fähigkeit der entsprechenden Phase zur Trennung unterschiedlicher hydrophoben Analyten unabhängig von der Elutionsreihenfolge.

Auch Test 2 kann für einzelne Säulen angewandt werden: Elution von Benzylamin nach Phenol – wahrscheinlich als breiter, tailender Peak – ist der Hinweis auf einen polaren Charakter der Phase, eine Koelution mit oder gar Elution vor Phenol wird dagegen bei hydrophoben, gut abgedeckten Phasen beobachtet. Letztere Phasen wären die erste Wahl für die Trennung von neutralen (oder über den pH-Wert neutralisierte) Komponenten, die sich in ihrem hydrophoben Charakter unterscheiden: „Methylengruppenselektivität“, Differenz in der Molekülgröße, polarer/apolarer Substituent, z. B. -H vs. -CH3 usw. Solche Säulen zeigen darüber hinaus eine gute Langzeitstabilität und wären für Routinemethoden vorzuziehen – sofern ihre Selektivität durch „cross-Experimente“ bestätigt wurde (1).

Hydrophobe Selektivität (grob)

α > ca. 1,4: Gute hydrophobe Selektivität α > ca. 1,6: Sehr gute hydrophobe Selektivität
α < 1 (Elutionsumkehr): Recht polare Phasen
Sehr großer bzw. sehr kleiner alpha-Wert
(α < 1) α EB/Fl zeugt von der Fähigkeit der entsprechenden Phase zur Trennung unterschiedlicher hydrophoben Analyten unabhängig von der Elutionsreihenfolge.

Weitere Info-Quellen

(1) S. Kromidas (Hrsg.) „HPLC richtig optimiert“, Wiley-VCH, Weinheim, 2006, ISBN 3-527-31470-9
(2) S. Kromidas, „Eigenschaften von kommerziellen C18 –Säulen im Vergleich“, Pirrot Verlag,Saarbrücken, 2002, ISBN 3-930714-78-7

Falls das Thema „HPLC-RP-Säulen“ für Sie von Interesse ist:

Buchkapitel: „Vergleich und Auswahl von modernen HPLC-Säulen“
Experten-Online-Tool: „Colona; Auswahl und Vergleich von HPLC-RP-Säulen“
Kurs zum Thema: „Auswahl und Vergleich von modernen HPLC-RP- und HILIC-Säulen“