AllgemeinBodenzahlSystemeignungstest (SST)Variationskoeffizient (Vk)

Kriterien bei Systemeignungstests (SST) in der HPLC

Von 20. August 2024 Januar 9th, 2025 No Comments

Der Fall

Pragmatismus hilft oft – auch in der HPLC: Wenn alle Beteiligte (Anwender:innen, Labormanagement, Kunde, Auditor/Inspektor) mit den vorgegebenen Kriterien resp. SST-Anforderungen (SST: System Suitability Tests, Systemeignungstests) zufrieden sind, besteht kein dringender Handlungsbedarf. Wenn allerdings häufig OOS-Situationen auftreten oder das Aufwand/Nutzen-Verhältnis aus praktischer Sicht nicht wirklich überzeugend erscheint, sollten – sofern es realistisch Sinn macht – die aktuellen Kriterien hinterfragt werden. Welche SST-Kriterien sind sinnvoll?

Die Lösung

Halten wir vereinfacht wie folgt fest: Bei einem SST geht es darum zu überprüfen, ob diese Methode „hier und jetzt“ an diesem Gerät nach vorgegebenen Kriterien funktioniert.
Bemerkung: Die Frage, ob für einen SST eine Standard-Lösung oder eine „reale“ Probelösung – also eine Lösung, die bzgl. Konstitution, Konzentration, Matrix etc. den Proben entspricht, die gleich vermessen werden – verwendet werden soll, lassen wir hier außen vor.
Nun, die HPLC ist eine Trenntechnik; die zwei Hauptziele sind i.d.R.:
1. Genügend gute Trennung inkl. Identifizierung und damit zusammenhängend eine gesicherte qualitative Information: „Ich sehe alle mich interessierende Analyten/Peaks
2. Gesicherte quantitative Information: „Wie reproduzierbar ist die Integration und demnach die Ermittlung der Peakfläche der mich interessierenden Peaks?“ Und: „Ist der Wert überhaupt richtig?“

In den meisten Fällen liegt der Focus auf beides: „Ich will alle (interessierende) Peaks so gut trennen können, dass ich sie „richtig“ und reproduzierbar integrieren kann“.

Zu 1: „Gute“ Trennung

Ein Maß – vermutlich das beste – für die Güte einer Trennung in der Chromatographie ist die Auflösung, das ist der Abstand zwischen zwei Peaks an der Peakbasis. Am Ende einer Methodenentwicklung und bevor betreffende Methode in die Routine geht, wird von einer Entscheidungsperson (Labormanagement, Kunde usw.) oder einer übergeordneten Organisation definiert, welche Auflösung für die konkrete Fragestellung erreicht werden soll, z. B: „Die Auflösung zwischen dem kritischen Peakpaar 4 und 5 soll ≥ 1,5 sein“. Wir unterstellen hier, dass vorgegebene Anforderung im konkreten Fall ihre Berechtigung hat. Wenn es um die Trennung von mehreren Peaks geht – was oft bei Gradiententrennungen der Fall ist – stünde die Peakkapazität im Vordergrund: Anzahl der Peaks pro Zeiteinheit. Wenn nun beim SST jene Anforderung (Auflösung bzw. Peakkapazität) erfüllt wird, ist alles OK, das Testen ist beendet. Mehr Messungen/Kriterien braucht man nicht.

Begründung:
In der Auflösung steckt die Kapazität (Stärke der Wechselwirkung, Retentionsfaktor k), die Selektivität (Unterscheidungsfähigkeit des chromatographischen Systems für zwei Substanzen, Trennfaktor Alpha) und die Effizienz (wie schmal/symmetrisch ist ein Peak, das ist die Trennleistung, angegeben als Bodenzahl N). So wären weitere (zusätzliche) SST-Kriterien wie z. B. „Retentionszeit 12 min +/- 2 min“ oder „Bodenzahl nicht unter 2.000 Böden“ oder „Tailingfaktor nicht größer als 1,3“ zwar keinesfalls falsch, dennoch überflüssig, denn: Es kann nicht passieren, dass beispielsweise die Trennleistung meiner Säule so furchtbar nachgelassen hat oder die Selektivität meines chromatographischen Systems dermaßen stark abgenommen hat, ohne dass ich es mitbekomme. Denn geschähe es, würde auch die Auflösung unter die hier definierte Grenze von 1,5 fallen. Und aus pragmatischer Sicht ist es völlig irrelevant, ob meine Säule aktuell 2.000 Böden oder eben nur noch 1.900 Böden aufweist. Und wenn vielleicht auch ein paar C8-Alkylketten durch Hydrolyse abgespalten worden sind – „so what?“ Die stationäre Phase kann offensichtlich weiterhin genügend gut die zwei betreffenden Moleküle nach meinen Kriterien unterscheiden – ich erreiche doch die geforderte Auflösung von 1,5! Und das ist ja was ja zählt.
Eine etwas überzogene Analogie: Angenommen, ich habe als ausschließliches Ziel definiert, nicht mehr als 80 kg auf die Waage zu bringen. Und: Ich erreiche es. Nun, das, was zählt, ist das Ergebnis. Die Beschäftigung mit der Frage, ob ich gestern lieber 3 statt 4 Kartoffeln hätte essen sollen, bedeutet Zeit- und Gedankenverschwendung. Solche Nebensächlichkeiten versperren mir den Blick für wichtigere Sachen.

Zu 2: Gesicherte quantitative Information: Das Ergebnis soll richtig und präzise sein

Diese Forderung ist bei sehr kleinen Peaks, das wären also welche in der Nähe der Bestimmungsgrenze (LOQ) sowie bei nicht gut aufgelösten und/oder tailenden Peaks, besonders kritisch. Welches SST-Kriterium kann hier hilfreich sein? Das könnte einerseits der Variationskoeffizient der Peakfläche sein, der sich bei einer beispielsweise 5- oder 6-fachen Injektion ergibt. Somit weiß ich, dass mein Rechner mit dieser Software und diesem Integrationsalgorithmus bei diesen Settings (Sample Rate, Spalt, Bandwitdth etc.) diese(n) Peak(s) reproduzierbar integrieren kann. Auch hier wäre die Anforderung, einen bestimmten Tailingfaktor nicht zu überschreiten oder ein bestimmtes Signal-to-Noise-Verhältnis S/N zu erreichen, unnötig, denn: Offensichtlich kann das Auswertesystem Peak Anfang und -Ende trotz einem womöglich vorhandenen Tailing und/oder erhöhtem Rauschen reproduzierbar finden, es wird ja reproduzierbar (präzise) integriert: Die somit ermittelte Peakfläche gibt mir die Information bzgl. Präzision. Dies gilt analog auch für nicht-basisliniengetrennte Peaks. Die Richtigkeit andererseits kann durch die Injektion einer geeigneten Referenzlösung belegt werden. Hier sollte(n) der/die betreffende(n) Peak(s) in der Probe- und in der Referenzlösung bzgl. Peakform und Größe identisch sein. Ansonsten besteht die Gefahr eines systematischen Fehlers durch unterschiedliche Integration und folglich falsch ermittelte Peakfläche. Durch diese zwei Messungen erhalte ich eine gesicherte quantitative Information bzgl. Genauigkeit der HPLC-Analyse (Genauigkeit: Richtigkeit plus Präzision).

Zusammengefasst:
Lautet die Anforderung an eine HPLC-Methode, „Kann ich X von Y sicher abtrennen und ist das Ergebnis richtig und präzise (qualitative und quantitative Info)?“ Wenn ja, dann eignen sich als SST-Kriterien die Auflösung des besagten Peakpaares und der Variationskoeffizient einer realen Probe bei der geforderten Konzentration. Die Richtigkeit kann mit Hilfe einer Referenzlösung belegt werden. Übrigens erweist sich folgende Praxis als recht hilfreich: Das Auftragen relevanter Zahlen wie z. B. Auflösung und Variationskoeffizient in eine Qualitätsregelkarte (SPC, Statistische Prozesskontrolle) ist ein hervorragendes Monitoring-Tool für die Historie der Methode. Und: Die derartige Visualisierung einer ISK-Situation (ISK: In Statistischer Kontrolle = Enge Verteilung der Werte um einen Mittelwert, also innerhalb des Vertrauensbereichs) überzeugt oder stimmt wenigstens positiv jeden Vorgesetzten/Kunden/Inspektor/Auditor.

Das Fazit

Es kommt in der HPLC auf die Auswahl von praxisnahen, Fall-spezifischen, gut durchdachten SST-Kriterien. Gelingt es, eine solche Auswahl zu treffen und wird die Anforderung im Folgenden erfüllt, weiß ich, dass alles OK ist. Die Angst, zu wenig zu machen oder etwas Wichtiges vergessen zu haben sollte dann nicht mehr existieren. Immer knapper werdende Rohstoffe wie Zeit, Energie und Chemikalien werden geschont, unnötige Gedanken, Wiederholmessungen und Diskussionen, die keinen echten Mehrwert bedeuten, vermieden. Und das ist gut so.

© Dr. Stavros Kromidas

Weitere Tipps von diesem Jahr finden sich unter: https://www.kromidas.de/hplc-tipps-des-jahres/